Was macht eine erfolgreiche Verpackung aus?
Das internationale Institut Stratégir konzentriert sich auf eine möglichst realitätsnahe Prüfung von Verpackungen im Bezug auf ihre zwei Leben: im Regal und bei dem Verbraucher zu Hause. Pro Carton hat mit Managing Director Line Kerrad über die vielfältigen Aufgaben von Verpackungen gesprochen.
Stratégir wurde 1986 gegründet und ist eine internationale, unabhängige Marktforschungsgruppe, spezialisiert auf Consumer und Shopper Research in den Branchen Konsum- und Luxusgüter sowie OTC. Schwerpunkt der Packungsforschung ist die Bewertung der beiden Leben der Verpackung am POS und zu Hause durch eine komplette Diagnose des Auftritts im Regal sowie eine umfassende Einzelbeurteilung außerhalb des Regals.
Welche Kommunikationsfunktionen hat eine Verpackung?
Jede Verpackung hat zwei Leben: Ein soziales Leben im Regal sowie ein zweites, privates, nämlich nach dem Kauf zu Hause beim Verbraucher.
Da ist also zunächst die Kommunikation am POS mit den Shoppern. Der geniale Kommunikator Lars Wallentin (ex Nestlé) hat das so formuliert: „Eine Verpackung ist vergleichbar mit einer Werbung von fünf Sekunden, die ständig läuft.“ Im Wettbewerbsumfeld muss die Verpackung vor allem gesehen und erkannt werden, attraktiv sein. Hier gilt: ohne Aufmerksamkeit kein Kauf! Für den Impact am POS sind der Masseneffekt (durch die Anzahl der Facings), Lesbarkeit und Wiedererkennung wichtig. Eine Packung kann einzeln eine völlig andere Wirkung erzielen als bei einer Vielzahl von Facings im Regal. Bei einer Produktrange muss ein gutes Gleichgewicht zwischen der Range-Kohärenz und der Variantendifferenzierung gegeben sein, um die Auffindbarkeit zu unterstützen.
Liegt es nicht nahe, ein Produkt mit Shelf Ready Packaging zu unterstützen?
Shelf Ready Packaging bietet nicht nur Chancen, sondern auch Gefahren. Die Vorteile sind: eine zusätzliche Kommunikationsfläche, Steigerung des Shelf Impacts, schnellere Auffindbarkeit der Produkte, Vermittlung hoher Qualität durch hochwertige und stabile Präsentation. Die Gefahren liegen darin, dass die primäre Verpackung womöglich teilweise verdeckt wird.
Und Zugreifen und Zurückstellen sind nicht so einfach wie im Regal. In jedem Fall muss eine geplante Präsentation mit SRP schon bei der Entwicklung der primären Verpackung berücksichtigt und simuliert werden. Wenn das gut durchdacht, gestaltet, umgesetzt und ausgeführt wird, kann Shelf Ready Packaging sehr wirkungsvoll sein.
Aber das Leben einer Verpackung endet nicht am POS?
Das stimmt. Eine gute Verpackung muss in beiden Leben erfolgreich sein. Denn zu Hause kommuniziert die Verpackung weiter mit dem Verbraucher über das Produkt und die Marke und muss ihn weiterhin überzeugen. An jede Produktkategorie hat der Verbraucher bestimmte Erwartungen, die erfüllt werden müssen. Flüstert der Weichspüler dem Verbraucher zu: „Mit mir wird Deine Wäsche frisch“ oder beruhigt die Babynahrung die verantwortungsbewussten Eltern: „Ich bin ein natürliches Produkt“?
Zu Hause muss die Packung ebenfalls in Bezug auf Handling überzeugen. Und eigentlich gibt es sogar noch ein drittes Leben: Im Recycling. Eine erfolgreiche Packung gibt ein Gefühl sozialer Verantwortung, weil sie die Umwelt so wenig wie möglich belastet.
Worauf kommt es beim Relaunch einer Verpackung an, und warum misslingt er so oft?
Jedes Rework muss mit der Analyse der aktuellen Packung beginnen: Wenn eine Packung einen Relaunch erfahren soll, ist es für die erfolgreiche Umsetzung unabdingbar, die Packung, die aktuell auf dem Markt ist, zu analysieren. Welche Merkmale machen die Packung besonders – auch im Vergleich zum Wettbewerb? Was kann verändert werden und was darf nicht angetastet werden?
Sind die Stärken und Schwächen der aktuellen Packung bekannt, müssen die Ziele des Relaunchs klar definiert werden. In welche Richtung sollen die Veränderungen gehen? Wo genau soll die neue Packung mehr leisten als die aktuelle?
Außerdem wissen wir aus unserer Erfahrung: Ein hoher Prozentsatz der Packungen scheitert bereits im sozialen Leben, im Regal. Oft werden schon die Grundvoraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um einen hohen Shelf Impact zu erzeugen, beim Rework der Packung nicht berücksichtigt. So ist beispielsweise das Logo nicht groß genug, die Kontraste reichen nicht aus oder die Schrift ist für den vor dem Regal Stehenden nicht gut lesbar.
Wie entwickeln sich derzeit Methoden und Techniken, um das Erfolgspotenzial von Verpackungen abzuschätzen?
Wir setzen verschiedene Technologien ein. Kann z. B. ein neues Packungsdesign nicht als Mock-up produziert werden, erstellen wir mithilfe von 3D-Modelling ein virtuelles Regal in Originalgröße, das die Realität am POS abbildet. Mit Videoprojektionen kann eine realistische Einkaufssituation simuliert werden, sodass eine neue Verpackung im aktuellen Wettbewerbsumfeld getestet werden kann.
Eyetracking ergänzt beim Testen von Packungen die explizite Befragung. Der Verbraucher kann nicht alle Informationen verbalisieren. Die impliziten Eyetracking-Messungen stellen die Verbindung her zwischen dem, was der Verbraucher sagt und tut. Es gibt zwei verschiedene Einsatzmöglichkeiten: Mit mobilem Eyetracking mit einer Brille kann der visuelle Impact einer Packung im Regal gemessen werden. Zusätzlich werden Informationen über Navigationsmuster gewonnen. Eyetracking am Bildschirm gibt Aufschluss darüber, welche Elemente einer Packung entscheidend für den visuellen Impact sind und wie die Verbraucher eine Packung decodieren.
Welche Rolle spielt die Verpackung im Internet-Zeitalter?
Hier steht die Forschung noch ganz am Anfang. Das Online-Shopping betrifft hauptsächlich das zweite, private Leben der Verpackung. Die Packung kommuniziert auch im Internet weiter mit den Verbrauchern. Der Fokus liegt da mehr auf der Vermittlung von Informationen, entweder über das Produkt selbst oder über die Marke, z. B. durch Codes, die zu entsprechenden Websites im Internet führen. Allerdings sorgt die visuelle Abbildung der Packung nach wie vor für eine emotionale Ansprache.
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